P5 NEWS Prof. Dr. Tobias Just

Interview mit Professor Dr. Tobias Just von der IREBS
„2024 wird ein gutes Jahr für Investoren“

 

Wie sehen Sie im Nachgang das immobilienwirtschaftliche Jahr 2023?
2023 war ein belastendes Jahr für die Branche, insbesondere für die Projektentwickler und die transaktionsabhängigen Unternehmen. Dabei spielten vier Faktoren eine Rolle. Zum einen bremsten die gestiegenen Zinsen und die Rezession der Wirtschaft. Auch die Regulatorik, unter anderem mit den erhöhten Eigenkapitalanforderungen für Wohnimmobilien als Versuch zu spät antizyklisch zu steuern, wirkte sich im Finanzierungsbereich negativ aus. Der Schlingerkurs der deutschen Politik bei den Förderprogrammen sowie für die energiepolitische Rahmensetzung sorgte für zusätzliche Unsicherheit. Die Immobilienbranche selbst hat ebenfalls noch nicht alle Hausaufgaben gemacht. Viele Unternehmen hinken in der Digitalisierung hinterher, das Thema Nachhaltigkeit ist zwar in aller Munde, aber noch nicht in allen Portfolios, und letztlich fehlen uns auch 2023 noch beruhigende Antworten, wie der stationäre Einzelhandel dem wachsenden Wettbewerb durch den Online-Handel entgegenwirken kann und wie die Büros für die kommenden zwei Jahrzehnte krisensicher gestaltet werden sollen.

Welche Möglichkeiten hat die Branche strukturelle Themen wie stationärer Einzelhandel und Online-Handel oder Büro und Homeoffice anzugehen?
Wir benötigen zunächst erstens Ehrlichkeit in der Bewertung und zweitens eine gründliche Analyse der Situation, und hiermit sind letztlich viele unterschiedliche Situation für sehr heterogene Objekte gemeint. In der Wissenschaft fehlen uns Daten, um gründliche Auswertungen für deutsche Märkte zu fahren. Häufig ziehen sich Wissenschaftler auf angelsächsische oder skandinavische Märkte zurück, weil es dort bessere belastbarere Daten gibt. Dann können wir hierzulande nur hoffen, dass Frankfurt und Berlin irgendwie ähnlich wie Stockholm und New York ticken. Tun sie aber wahrscheinlich nicht. Immerhin, es gibt Fortschritte, und dies gilt auch für die Bewertung von Homeoffice und Büroarbeitsplätzen. Drittens gilt es nicht mehr gebrauchte Büro- und Einzelhandelsflächen einer neuen Nutzung zuzuführen, beispielsweise Wohnen, Freizeit oder Gesundheit. Es geht folglich um eine neue gemischte Nutzung. Das wird definitiv auch zu einer Herausforderung für die Kommunen.

Die Immobilienbranche ist nach über 10 goldenen Jahren in ein tiefes Konjunkturloch gefallen. Wie kommen wir da wieder raus?
Die Situation war streng genommen zu schön um wahr zu sein, zumindest um endlos anzuhalten. Nullzinsen, starke Flächennachfrage und spürbares Bevölkerungswachstum haben zur angespannten Lage geführt, und jetzt erleben wir eine veritable Rezession. Die Wege zurück zu einem höheren Wachstumspfad sind steinig, aber immerhin in Sicht. Die Inflationsdaten haben sich zuletzt stärker verbessert als Mitte des Jahres noch zu befürchten war, die Bau- und Grundstückskosten dürften im Zuge der Konjunkturflaute zurückgehen, zumindest aber deutlich langsamer wachsen. Dies öffnet neue Handlungsfenster und könnte die Notenbanken zu einer früheren Schubumkehr bei den Zinsen motivieren. Ein stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit wird der Branche ebenfalls im Krisenjahr helfen, und zumindest die jüngsten wohnungspolitischen Ideen aus Berlin zeugen von mehr Verständnis für die Bedeutung der Branche. Bleibt zu hoffen, dass dies nicht wieder nur ein Verkündungsstrohfeuer war.

Welche weiteren Faktoren könnten für einen Aufwärtstrend sorgen?
In jedem Abschwung kommt es zu Ausleseprozessen und damit zu Marktbereinigungen. Sie korrigieren ungesunde Entwicklungen und vermeiden das Entstehen eines Flächenüberangebotes. Damit einher geht auch, dass Innovationen wieder deutlich wichtiger werden und im Detail auch wieder stärker an dem Thema Effizienz gearbeitet wird. Der Nutzerfokus erhält Auftrieb. Schlussendlich werden Kooperationen zwischen allen Stakeholdern der Immobilienwirtschaft intensiviert werden müssen. Das bezieht sich sowohl auf das Verhältnis Nutzer und Investoren als auch auf mögliche Kooperationen zwischen privaten und öffentlichen Akteuren.

Gibt es auch positive Aspekte in der aktuellen Situation?
Wo Schatten ist, muss es auch irgendwo Licht geben. Das ist auch jetzt der Fall. In den letzten Jahren hat sich die Branche mit großem Engagement mit den Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt. Das ist ein wichtiger Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Gebäuden. Dazu zählt auch das Bauen im Bestand. Dank der Digitalisierung wird die Transparenz der Branche und einzelner Investitionen erhöht, und die Effizienz gesteigert. Hilfreich ist zudem, dass wir im Vergleich zur Situation in der Finanzkrise 2008 nur mit einem sehr geringen Angebotsüberhang in die Krise geraten sind. Generell gilt, Strukturbrüche wie die Industrialisierung, die Automatisierung oder auch jetzt die Digitalisierung bringen regelmäßig positive wirtschaftliche Effekte und langfristig einen Weiterentwicklungsschub für die Menschen. Es ist immer nur eine Frage der Zeit und des Umgangs damit. Jeder dieser Schübe hat auch für die Immobilienbranche eine Erneuerung bedeutet. Damit sind große Chancen verbunden.

Wie könnte das Jahr 2024 für die Immobilienbranche werden?
Das kommende Jahr wird anstrengend bleiben. War 2023 ein Jahr des Abwartens, vielleicht sogar des Stillstandes, so wird es 2024 wieder etwas Bewegungen am Markt geben. Ob der Akzent nun eher auf „etwas“ oder auf „Bewegung“ liegt, mag regional unterschiedlich sein. Die Bewegung beginnt mit Preiskorrekturen und einer schnelleren, nicht immer wunschgemäßen Annäherung zwischen Käufern und Verkäufern, denn die Strategie des Aussitzens wird alleine aufgrund der weiterhin hohen Zinsen immer schwerer durchzuhalten. Das kommende Jahr wird deshalb ein besseres Jahr für eigenkapitalstarke Investoren. Auf der Risikoseite stehen allerdings gleich mehrere Faktoren: Die Nachfrage im Gewerbebereich wird aufgrund der prognostizierten, nur leicht verbesserten Wirtschaftsaussichten in Deutschland eher schwach bleiben. Von den USA kommen zwar positive Signale, die auch die Re-Industrialisierung betreffen. Ob wir eine ähnliche Entwicklung in Deutschland erleben, ist aktuell fraglich. Eine Industriepolitik à la Biden zeichnet sich hierzulande nicht ab. Man könnte insgesamt sagen, der Motor wird in 2024 wieder anspringen, aber wir bleiben wohl eher niedertourig.

Womit laden Sie privat Ihre Batterien auf?
Ich lese in meiner Freizeit (fast) alles, was mir so in die Finger fällt: Belletristik, Sachbücher, Fachbücher, Biografien, Kochrezepte, manchmal auch ein Kinderbuch. Dann meistens laut und vor in jeder Hinsicht kleinem Publikum.

Außerdem mag ich Musik und viele Formen der Kunst. Hier bin ich allerdings nur passiver Genießer und suche das Glück gerne auch auf Reisen. A propos Genuss: Für die Familie und manchmal Freunde koche ich ganz gerne und versuche dies durch ausreichend Bewegung auszugleichen, zum Beispiel mit Spaziergängen an Rhein und Main sowie durch vereinzeltes Joggen.

Über Prof. Dr. Tobias Just
Prof. Dr. Tobias Just FRICS ist seit 2011 wissenschaftlicher Leiter der IREBS Immobilienakademie und Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Hamburg und Uppsala und seiner Promotion, arbeitete er zunächst bei Deutsche Bank Research. 2006 war Tobias Just Research Fellow am American Institute of Contemporary German Studies an der Johns Hopkins Universität Washington DC.